Studie zu Nutzen und Risiken von Desinfektion im Haushalt
Im Auftrag der Wiener Umweltanwaltschaft nahm das Technische Büro Klade die Palette desinfizierender Haushaltsprodukte genauer unter die Lupe. Untersucht wurde das in Super- und Drogeriemärkten vorgefundene Sortiment an Allzweckreinigern, Reinigungstüchern und -schwämmen, Gelen, Seifen und Sprays sowie Wasch- und Spülmitteln, bei denen der Hersteller ausdrücklich eine desinfizierende Wirkung auslobt. Eine solche ist erkennbar durch Formulierungen wie „antibakteriell“, „desinfizierend“, „beseitigt 99,99 % der Bakterien“ oder „beseitigt Pilze, Schimmel, Algen oder Viren“. Eine Bestandsaufnahme in Einkauszentren erbrachte 78 derartiger Produkte. Die Verpackung wurde in Hinblick auf die Art und Menge der verwedenten bioziden Wirkstoffe ausgewertet. Von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA veröffentlichte Datensätze wurden herangezogen um die Wirkstoffe hinsichtlich ihrer Folgewirkungen für Gesundheit und Umwelt zu bewerten[1], [2]. Die Auswertung hinsichtlich der untersuchten Wirkstofe lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Die Verwendung biozider Wirkstoffe wie etwa organische Säuren, Alkohole und Peroxide erscheint generell unproblematisch. Vorsicht ist jedoch geboten hinsichtlich deren reizender oder ätzender Wirkung auf Haut und Augen. Bei der Anwednung sollten Spritzer vermieden werden bzw. empfiehlt sich das Tragen von Handschuhen. Die Umweltrisiken sind aufgrund der generell raschen biologischen Abbaubarkeit eher gering.
- Die Verwendung silberhaltiger Küchenschwämme und –tücher erscheint problematisch da dabei hoch umweltgiftige Silberionen freigesetzt werden können. Silber wird nicht weiter zersetzt und kann sich im Sediment natürlicher Gewässer anreichern. Der im Haushalt stets niedrig dosierte Einsatz fördert die Entwicklung resistenter Keime was wiederum den sinnvollen Einsatz von Silber im Gesundheitswesen (z.B. bei Kathetern und in Wundauflagen) beeinträchtigen kann.
- Besonders problematisch ist die Anwendung von Hygienespüler zur Wäschedesinfektion. Die verwendeten bioziden Wirkstoffe – Benzalkoniumchlorid (BAC) und Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) – sind wichtige Repräsentanten der Gruppe Quaternärer Ammonium-Verbindungen (QAV). Wegen ihrer mangelhaften Abbaubarkeit finden sie sich im Klärschlamm und in Sedimenten wieder. Zudem scheint die Langzeitexposition von Mikroben gegenüber QAV in der Umwelt scheint auch deren Resistenz gegenüber klinisch relevante Antibiotika zu verstärken. Die häufige Verwendung von Hygienespülern kann auch zu gesundheitlichen Probleme führen: Da QAV beim Waschen nämlich auf die Kleidungsfaser aufziehen kann das Tragen der Kleidung zu einer indirekten Belastung des Wohnumfeldes führen. So fanden sich etwa im Staub der Lüftungskanäle von Schulen überraschend hohe Mengen an diesen Wirkstoffen. Dies ist auch deshalb bedenklich, weil diese Chemikalien auch ein gewisses hautsensibisierendes Potential zeigen. Diesen potenziellen Anwendungsrisiken steht ein geringer bzw. fraglicher Nutzen gegenüber: Generell erscheint eine Desinfektion von Wäsche nur dann begründet, wenn diese – etwa durch eine bestehende (Pilz)Infektion – bereits kontaminiert ist und nicht mit 60°C gewaschen werden kann.
Hinsichtlich des potentiellen Nutzens einer Desinfektion im Lebensumfeld „Haushalt“ stimmt die die überwiegende Mehrheit der HygieneexpertInnen darin überein, dass eine unbegründete routinemäßige Desinfektion der Gesundheit eher schadet als nutzt. Nur in ganz spezifischen Situationen erscheinen desinfizierende Maßnahmen im Haushalt gerechtfertigt – etwa wenn ein Familienmitglied an einer hochansteckenden Krankheit leidet oder bei Personen mit stark geschwächtem Immunsystem, z. B. in Folge einer Chemotherapie oder aufgrund ihres Alters.
Deshalb schlägt die Studie vor den Zugang von Privatpersonen zu Desinfektionsmitteln von einem begründeten Bedarf abhängig zu machen: Eine vorgeschlagene Maßnahme betrifft die Verlagerung des Verkaufs von Supermärkten hin zu Apotheken und dort in Verbindung mit einer entsprechenden Fachberatung. Eine weitere vorschlagene Maßnahme zielt auf die Umsetzung der EU Biozidprodukteverordnung ab: So könnten im Zuge der Produktzulassung Anwendungen im Haushalt von HygieneexpertInnen hinsichtlich ihres Nutzens hinterfragt werden. In Folge könnte Menge bzw. Verpackungsgröße an die beantragte Anwendung angepasst werden bzw. könnte die Verpackung Anwendungshinweise enthalten.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.
Eine Stellungnahme dazu findet sich außerdem auf der webpage der Wiener Umweltanwaltschaft: http://wua-wien.at/positionen-und-stellungnahmen/studie-desinfektionsreiniger-2
[1] https://echa.europa.eu/de/information-on-chemicals/registered-substances
[2] https://echa.europa.eu/de/information-on-chemicals/biocidal-active-substances